Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zur Pfändbarkeit von Corona Sonderzahlungen haben wir in der KKZ nun bereits mehrfach berichtet. Sind sie nun pfändbar oder sind sie es nicht?
Diese Frage haben wir anlässlich der bisherigen Rechtsprechung in unterschiedlichen Konstellationen (hoffentlich) beantwortet. „Catch me, if you can“ (KKZ 2/2021) berichtete Els und zeigte potentielle Zugriffsmöglichkeiten für Kommunen auf Coronaprämien für Arbeitnehmer an. Als Zeichen der Wertschätzung sind die zugelassenen Pflegeeinrichtungen durch Schaffung des mit Wirkung vom 23.5.2020 eingefügten § 150a Abs. 1 SGB XI verpflichtet worden, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 eine für jeden Beschäftigten einmalige Sonderleistung auszuzahlen, die allerdings größtenteils durch die soziale Pflegeversicherung refinanziert wird.
Die Frage, ob hierauf durch den (kommunalen) Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung zugegriffen werden kann, ist relativ einfach zu beantworten: kraft ausdrücklicher Anordnung in § 150a SGB XI Abs. 8 S. 4 ist diese Prämie unpfändbar gestellt. Lissner (u.a. KKZ 2020,89ff.) berichtete ebenfalls zum Thema und ging mit Els in Einklang, wonach in sonstigen Konstellationen im Einzelfall entschieden werden muss. Gerade bei den damaligen Corona Unterstützungszahlungen (Soforthilfen) an Unternehmer haben die überwiegende Anzahl aller Gerichte eine Unpfändbarkeit ausgesprochen.
Anders hingegen, was sog. Sonderzahlungen für Arbeitnehmer angeht. Hier regelt (s.o.) § 150a Abs. 1 SGB XI eine Unpfändbarkeit nur für gewisse Beschäftigte. Bei allen anderen Beschäftigten ist sich die Literatur uneins. Zum Teil wurde eine Unpfändbarkeit bejaht (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 25. November 2021 – 6 Sa 216/21 –, juris für Arbeitnehmer in der Gastronomie) teilweise wurde eine Unpfändbarkeit abgelehnt (AG Konstanz, Beschluss vom 11. März 2021 – K 42 IK 73/16 –, juris für eine Rechtsanwaltsfachangestellte; LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Februar 2022 – 23 Sa 1254/21 –, juris für Beschäftigte im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den regionalen Nahverkehr Berlin). Eine neue (und soweit bekannt erstmalige) Entscheidung zum Thema Pfändbarkeit von Corona Prämien liefert nun das LG Lübeck (LG Lübeck, Beschluss vom 18.05.2022, 7 T 155/22), indem es über eine Sonderzahlung eines Beamten zu entscheiden gehabt hat.
Die Corona-Sonderzahlung an Beamte und Richter nach dem Hamburgischen Corona-Sonderzahlungsgesetz ist dabei nach Ansicht des LG Lübeck nicht nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Das LG Lübeck stellte klar fest, dass eine Corona-Sonderzahlung nur nach § 150a Abs. 8 S. 4 SGB XI unpfändbar sei, damit § 150a auch nicht analog für Beamte gelte. Die Situation des Schuldners sei zudem mit der Lage der Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen während der Pandemie nicht zu vergleichen, die bei der Pflege unausweichlich mit einer Vielzahl von alten und kranken Menschen in engem körperlichem Kontakt stehen und dabei wegen der hohen Ansteckungsgefahr fortwährend ihre eigene Gesundheit riskieren. Die gesetzliche Corona-Sonderzahlung sei nach dem LG Lübeck im Falle der Beamten (nach Hamburgischen Corona Sonderzahlungsgesetz) auch nicht gemäß § 850a Nr. 3 ZPO als Erschwerniszulage pfändungsfrei. Die Corona-Sonderzulage ist auch nicht als Gefahrenzulage im Sinne von § 850a Nr. 3 ZPO pfändungsfrei. Es handelt sich bei der gesetzlichen Corona-Sonderzahlung schließlich nach Ansicht des LG Lübeck auch nicht um eine Aufwandsentschädigung.
Auch ein Weg über § 765a ZPO sei (im entschiedenen Fall) ausgeschlossen, da in er Pfändbarkeit keine besondere Härte zu sehen sei. Eine unzumutbare Härte ergibt sich aber nicht daraus, dass der Gesetzgeber die Steuerfreiheit und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit der Sonderzahlung anerkannt und damit zum Ausdruck gebracht haben könnte, dass dem Beschäftigten mit der Sonderzahlung eine ungekürzte Anerkennung seiner Leistungen während der Coronapandemie zukommen soll (so aber AG Zeitz BeckRS 2022, 1610). Eine unbillige Härte wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn ein Schuldner auf die Zulage angewiesen wäre, um seine Existenz zu sichern. In der KKZ werden wir uns nochmals zusammenfassend zum Stand der Dinge (z.B. im Rahmen des nächsten Rechtsprechungsreportes) damit befassen.
Ihr
Stefan Lissner
Schriftleiter KKZ