Die Reform der Sachaufklärung ist ein epochales Ereignis im Geldvollstreckungsrecht. Seit dem 19. Jahrhundert wurde in der Regel über den Sachpfändungsversuch der Einstieg in das Vollstreckungsverfahren vollzogen. Erst nach einer erfolglosen oder aussichtslosen Sachpfändung konnte nachrangig die vermögensrechtliche Sachaufklärung über das Schuldnervermögen initiiert werden.

In der Verwaltungsvollstreckung wurde Ende des 20. Jahrhunderts in der AO-Vollstreckung und durch Vollstreckungsnormen einiger Bundesländer (z.B. § 5 VwVG NRW) die gesetzliche Ermittlungsbefugnis zur Vorbereitung der Vollstreckung in das Schuldnervermögen eingeführt. Ein nicht unbedeutender Schritt hin zu einer frühzeitigen Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung.

Die zum 1.1.2013 in Kraft tretende Reform der Sachaufklärung geht aber entscheidend über die bisherige Ermittlungsbefugnis der Vollstreckungsbehörden hinaus. Reformpunkte sind in diesem Zusammenhang:

  • Die neue Vermögensauskunft, die an die Stelle des alten und nachrangigen Offenbarungsverfahrens tritt, kann als Einstiegsprozess im behördlichen Beitreibungsverfahren gegen alle Schuldner genutzt werden, die noch nicht in den amtlichen Registern als insolvente Schuldner vermerkt sind.
  • Gegenüber der weitaus größten Schuldnergruppierung, nämlich die noch als solvent geltenden Schuldner, wird nunmehr durch das Vermögensauskunftsverfahren sofort Sanktionsdruck ausgeübt. Der Schuldner kann das Vermögensauskunftsverfahren und die negativen Folgen für die Kreditfähigkeit nur vermeiden, wenn er zahlt, zugreifbares Vermögen besitzt oder zumindest verbindliche Zahlungsmodalitäten im Rahmen des Vollstreckungsschutzes vereinbart.

Für die kommunalen Vollstreckungsbehörden bedeutet die Reform eine Stärkung ihres Aufgabenfeldes. Bedeutsam sind hier folgende Aspekte:

  • Nutzung des Instruments der Vermögensauskunft für die Reorganisation der kommunalen Vollstreckungsbehörden.
  • Die Vermögensauskunft kann gegenüber der noch solventen Schuldnerschaft als Einstiegsprozess wirkungsvoll genutzt werden.
  • Kapazitäten aus dem Außendienst, die frei werden, können für Teilfunktionen (z.B. das Abnahmeverfahren bei der behördlichen Vermögensauskunft) eingesetzt oder ggf. andere vollstreckungsbehördliche Aufgaben übertragen werden.
  • Vollstreckungsbehörden, die über keinen Vollstreckungsaußendienst verfügen, können nunmehr eine große Fallzahl mit Hilfe der neuen behördlichen Vermögensauskunft selbst erfolgreich erledigen und entlasten damit das kommunale Vollstreckungsnetzwerk.
  • Die kommunalen Vollstreckungsbehörden erhalten direkten technischen Zugriff auf die neuen öffentlichen Register (elektronisches Schuldnerverzeichnis, elektronisches Vermögensverzeichnis). Eine Inanspruchnahme privater Anbieter verteuert und verursacht rechtliche Gefährdungen des Recherchevorgangs.
  • Effizienzverbesserungen
  • Die Instrumente der Verwaltungsvollstreckung werden um ein wirksames Einstiegs-  und Erfüllungsinstrument, die Vermögensauskunft, erweitert.
  • Damit wird das behördliche Forderungsmanagement, das dem privatwirtschaftlichen Forderungsmanagement bislang ohnehin weit überlegen ist, weiter gestärkt.

Die gesetzlichen Grundlagen für die Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung wurde auf der Bundesebene durch das Gesetz vom 29.7.2009 (BGBl. 2009, S. 2258) geschaffen. Mit dieser Norm wird mit Wirkung vom 1.1.2013 das Vollstreckungsrecht der ZPO, der AO und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes geändert. Auch das Vollstreckungsrecht der Bundesländer, die eine direkte dynamische Verweisung zu § 284 AO besitzen (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) wird unmittelbar angepasst.

In den anderen Bundesländern, die eigenständige oder nur an das ZPO- und/oder AO-Recht angepasste Regelungen besitzen, wird eine gesetzliche Harmonisierung bis zum Jahresende 2012 erfolgen.

Die kommunalen Vollstreckungsbehörden in den Flächenländern Deutschlands werden demnach ab 2013 die neue Vermögensauskunft verfahrensmäßig je nach landesgesetzlicher Ausprägung in differenzierter Form nutzen können.

  • Vermögensauskunft in Form des Behördenverfahrens

Hier wickelt die kommunale Vollstreckungsbehörde selbst das Vermögensauskunftsverfahren ab und kann ohne Verfahrensbrüche einen stringenten Ablauf sicherstellen. Zudem können die Potenziale zur Reorganisation der behördlichen Vollstreckungsprozesse voll genutzt werden.

  • Vermögensauskunft in Form des Antragsverfahrens

In dieser gesetzlichen Konstellation müssen die Vollstreckungsbehörden für die Vermögensauskunft den Gerichtsvollzieher beauftragen. Es führt zu einer Verlagerung der Aufgabenerledigung mit allen positiven und negativen Folgen für die Vollstreckungseffizienz.

  • Wahlrecht zwischen Behörden- und Antragsverfahren

Einige Bundesländer (z.B. NRW, Hessen, Baden-Württemberg) räumen ihren kommunalen Vollstreckungsbehörden ein generelles und einzelfallbezogenes Wahlrecht ein, ob sie die Vermögensauskunft selbst abnehmen oder einen Gerichtsvollzieher damit beauftragen.

Der Fachverband der Kommunalkassenverwalter möchte mit diesen Vorinformationen und den Infos zu relevanten Downloads und Links auf die große Bedeutung der Reform der Sachaufklärung für die Zukunftsfähigkeit der kommunalen Geldvollstreckung hinweisen und bereits jetzt Hilfestellungen für die Umsetzung vor Ort geben.

Selbstverständlich wird die Thematik im Herbst 2012 und danach durch zahlreiche Informationsangebote (Referate, Veröffentlichungen usw.) ergänzt.

Wir hoffen sehr, dass dieses neue Informationsangebot im Sinne einer Stärkung der kommunalen Geldvollstreckung von den Praktikern angenommen wird.

Helmut Hagemann           Dietmar Liese                        Harald Jordan
Fachreferent                        Bundesvorsitzender          VZV-Ausschussvorsitzender