Mit der Veröffentlichung des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) im BGBL I. 2020, Nr. 65 vom 28.12.2020 (Seite 3096 ff.), wurde, neben verschiedener anderer Änderungen in der Abgabenordnung, auch eine Neuerung eingeführt, die erhebliche praktische Auswirkungen auf die laufende Vollstreckungstätigkeit in den Kommunen haben wird.

In Art. 27 (Nr. 2) des genannten Gesetzes wurde der Anwendungsbereich der Abgabenordnung für die Realsteuern in § 1 Abs. 2 AO erweitert. Es wurde § 1 Abs. 2 Nummer 6 AO neu gefasst. Künftig enthält diese eine Verweisung auf „§ 249 Abs. 2 Satz 2“.

Nachstehend die Gesetzesbegründung des Bundesministeriums der Finanzen zur Änderung des § 1 Abs. 2 AO, die den praktischen Anwendungsbereich erläutert:

„§ 1 Absatz 2 AO regelt, welche Vorschriften der AO von den Gemeinden bei der Verwaltung der Realsteuern anzuwenden sind (z. B. die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses nach § 30 AO). Nicht anzuwenden sind die Vorschriften des Sechsten Teils der AO, das heißt des Vollstreckungsverfahrens. Für die Vollstreckung der Gemeinden gelten die Vorschriften der jeweiligen Landesvollstreckungsgesetze.

Da der Sechste Teil der AO nicht anwendbar ist, ist auch § 249 Absatz 2 Satz 2 AO von den Gemeinden nicht anwendbar. § 249 Absatz 2 Satz 2 AO bestimmt, dass Finanzbehörden ihnen bekannte, nach § 30 AO geschützte Daten, die sie bei der Vollstreckung von Steuern verwenden dürfen, auch bei der Vollstreckung anderer Geldleistungen als Steuern verwenden dürfen. § 249 Absatz 2 Satz 2 AO stellt eine bundesgesetzliche Offenbarungsvorschrift dar, die das Steuergeheimnis nach § 30 Absatz 4 Nummer 2 AO zulässigerweise durchbricht.

Da § 249 Absatz 2 Satz 2 AO für Gemeinden bislang nicht gilt, dürfen diese ihnen bekannte Informationen aus der Vollstreckung von Realsteuern nicht für die Vollstreckung anderer Gemeindeforderungen verwenden. Das Steuergeheimnis steht dem entgegen. Auch eine entsprechende landesgesetzliche Regelung ändert hieran nichts.

Diese Situation führt dazu, dass eine Gemeinde, die z. B. einen Kontenabruf zur Vollstreckung von Realsteuern nach § 93 Absatz 7 AO durchgeführt hat, die ermittelte Kontonummer für die Vollstreckung von Gemeindeforderungen nicht verwenden darf und nochmals einen Kontenabruf nach § 93 Absatz 8 Satz 2 AO durchführen muss.

Diese Situation wurde von den kommunalen Spitzenverbänden kritisiert.

Durch die Einfügung der neuen Nummer 6 in § 1 Absatz 2 AO wird bundesgesetzlich geregelt, dass § 249 Absatz 2 Satz 2 AO von den Gemeinden bei der Verwaltung von Realsteuern anzuwenden ist. Durch die damit unmittelbar anzuwendende Offenbarungsvorschrift können Gemeinden ihnen bekannte Informationen, die dem Steuergeheimnis unterliegen, zukünftig auch für die Vollstreckung von nichtsteuerlichen Forderungen nutzen.“

 

Harald Jordan

VZV-Ausschuss

Jahressteuergesetz 2020