Die Gemeindekasse in der Digitalkommune
von Dietmar Liese, Bundesvorsitzender
Bei den Angeboten der öffentlichen Verwaltung im Internet, überschrieben als E-Government, hinken die deutschen Behörden im europäischen Vergleich weit hinterher. Beim Kongress „Digitaler Staat“ der Zeitschrift „Behörden-Spiegel“, an dem ich kürzlich teilnahm, stellte die neue Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt Dorothee Bär fest, dass alles „was mit Digitalisierung zu tun hat, mindestens eine Legislaturperiode zu spät angepackt wird“. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung im Bund würden wichtige Grundlagen für die Digitalisierung in Deutschland gelegt. Als die wichtigste Herausforderung nennt Bär das digitaler Bürgerportal. Es ginge dabei für den Bürger um „Lebensqualität“, die damit verbunden sei, so die Staatsministerin. Jede kleine Kreissparkasse habe heute eine schnellere Kommunikation, als die öffentliche Verwaltung, konstatierte sie.
Ist Digitalisierung auch ein Thema für den Kassenverwalter, die Kassenverwalterin und die Gemeindekasse, fragte ich mich während der verschiedenen Vorträge und Diskussionen des Kongresses. Ich komme zu dem Schluss: Ja, so wie der digitale Wandel ein Thema für jede öffentliche Verwaltung ist, wird es zum Thema jedes Beschäftigten, somit auch in der Gemeindekasse bzw. Zahlungsabwicklung. Die Gemeindekasse erbringt Querschnittsleistungen für die Gemeindeverwaltung, aber auch viele Leistungen für die Bürgerschaft. Sowohl die Internen als auch die externen Leistungen werden sich verändern. Digitalisierung erfolgt nicht zum Selbstzweck. Es geht um eine neue Betrachtung der Anwendungen, der Prozesse (Abläufe) und Daten für die Leistungserbringung. Es geht ganz klar um Vereinfachung. Bürgerportale sind dabei nur ein Teil der vor uns liegenden Reform. Allein deren Gestaltung stellt die Behörden bereits vor große Herausforderungen.
Mit dem Online-Zugangsgesetz aus dem Jahr 2017 fordert der Gesetzgeber einen Portalverbund der Verwaltungsportale des Bundes und der Länder, damit auch der Gemeinden, um den Bürgerinnen und Bürgern innerhalb der kommenden 5 Jahre alle Leistungen zeit- und ortsunabhängig an einer Stelle anzubieten. Dort sollen sie dann nach Informationen des Bundesministeriums des Innern (www.bmi.bund.de) online Anträge stellen können. Ein Nutzer- oder Bürgerkonto für alle Verwaltungsleistungen dient dabei dem Identitätsnachweis. „Mit diesem einmalig eingerichteten Konto können Nutzer künftig bundesweit alle digitalen Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie das Konto auf einem Portal des Bundes, eines Landes oder einer Kommune angelegt haben“ so die Darstellung auf o. a. Internetseite. Man geht davon aus, dass es sich über alle Verwaltungsebenen um etwa 565 zusammengefasste Leistungen handelt (ca. 5.000 Einzelleistungen).
Auch das Thema Zahlungsverkehr ist von Bedeutung. Mit allen schon bisher kostenpflichtigen Leistungen wird die Möglichkeit der Bezahlung online an gleicher Stelle verknüpft sein. Wenn man davon ausgeht, dass auch mit einem elektronischen Bürgerportal weiterhin mehre Zugangsmöglichkeiten zu den Leistungen der Behörden für den Bürger angeboten werden (direkt elektronisch, per Telefon, schriftlich oder persönlich in der Behörde), muss es an den „Vertriebskanal“ angepasste einfache und sicher Zahlungsmöglichkeiten geben. Die Gemeindekasse muss einhergehend in der Lage sein, mit verschiedenen Zahlungswegen umzugehen und ohne Aufwand unabhängig vom Eingangskanal eine Zuordnung und Buchung im Rechnungswesen vorzunehmen.
Was zeigt dieses Beispiel? Am Anfang der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen müssen die bisherigen Prozesse und Daten analysiert werden und den Anforderungen der digitalen Abwicklung unter Berücksichtigung der bisherigen Zahlweise angepasst werden. Erst dann geht es um die technische Ausgestaltung der Digitalisierung. Die Digitalisierung verfolgt in Bezug auf die Erbringung von Verwaltungsleistungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in erste Linie das Ziel der Vereinfachung und möglichst automatisierten Abwicklung. Leistung und Zahlung an einem Ort, Weiterverarbeitung in der Behörde automatisiert ohne Aufwand, muss das Ergebnis sein. Dabei mitzuwirken, sich zur Erreichung dieser Ziele engagiert und proaktiv einzubringen, ist für jede Kassenverwalterin, jeden Kassenverwalter, jede Leiterin, jeden Leiter einer Finanzbuchhaltung und jeden Beschäftigten – wie ich finde – obligatorisch.
Natürlich sind mit den bevorstehenden Veränderungen, beispielsweise durch die Schaffung von elektronischen Bürgerportalen oder die elektronischen Abwicklung von Rechnungen und Kassenanordnungen, Sorgen und Ängste verbunden. Ängste entstehen in erste Linie durch unzureichende Information und fehlendes Wissen. Durch ein rechtzeitiges Einbringen in die notwendigen und von der Bürgerschaft erwarteten Reformbemühungen der Kommune, erhalten die Beschäftigten in Kasse und Finanzbuchhaltung umfassende und aktuelle Informationen über die Entwicklungen.
Mit Ideen für effiziente und sichere elektronische Prozesse im Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen und darüber hinaus können wir alle zusammen die Entwicklung unserer Städte, Gemeinden und Landkreise im digitalen Wandel vorantreiben. Mut gehört dazu, wahrlich! Zu warten, was auf uns zukommt, ist nicht das richtige Rezept. Der Finanzverwaltung in den kommunalen Behörden steht es gut zu Gesicht durch das Einbringen ihres Wissen und ihrer Erfahrungen, vielleicht auch mal mit kreativen Vorschlägen die Digitalisierung in den Kommunen voran zu bringen.
Als Vorsitzender des Fachverbandes der Kommunalkassenverwalter e. V. erwarte ich von den Vertreterinnen und Vertretern meines Berufsstandes eine aktive Rolle bei den Veränderungen, schließlich wollen wir Anerkennung für unsere Leistungen und unser Können. Wir stehen für Sicherheit und Ordnungsmäßigkeit in der behördlichen Verwaltung und nach Draußen, das kann für die Wahrnehmung von Datenschutz bei den Bürgerinnen und Bürgern sicherlich auch förderlich sein.
Der Fachverband der Kommunalkassenverwalter e. V. ist beim Thema Digitalisierung an Ihrer Seite.
Ihr
Dietmar Liese
Literaturempfehlung:
Helmut Hagemann: Verwaltung 2.0 – die digitale Herausforderung für die kommunale Vollstreckungsbehörden in Kommunal-Kassen-Zeitschrift, 68. Jg. 2017 Heft 7, Seite 145 – 151